Stehende Position im Bus keine geeignete Sicherung bei Bremssituation

Das ist das Fazit des Urteils des Münchner Amtsgerichts. Was war passiert? Der 76jährige klagende Senior stürzte bei einer Vollbremsung des Busses und verletzte sich dabei nicht unerheblich (Prellungen im Brust- und Beckenbereich, Überdehnungen des Daumensattelgelenks).Was war passiert? Das Busgespann fuhr auf der Rechtsabbiegespur auf eine rote Ampel zu, als ein PKW kurz vor diesem auf dieselbe Abbiegespur wechselte, weshalb der Busfahrer eine Vollbremsung durchführte.
Hierdurch war der Kläger gestürzt. Er verklagte den Pkw-Fahrer und dessen Versicherung auf eine Zahlung von 2.000 € Schmerzensgeld und Anwaltskosten

Das Gericht wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Fahrweise des beklagten PKW-Fahrers zum Sturz des Klägers beigetragen habe und dass die StVO ihm für den Spurwechsel ein Höchstmaß an Sorgfaltspflicht auferlege, gegen die er verstoßen habe. Die Haftung des PKW-Fahrers sei jedoch aufgrund des vollständigen Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Das Gericht führte insoweit aus:

„[Jeder] Fahrgast [ist] verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen, vergleiche § 14 Abs. 3 Nummer 4 BOKraft. Die Vorschrift dient dem Schutz der Fahrgäste. Sie will sie insbesondere davor bewahren, dass sie bei Gefahrenbremsungen zu Fall kommen und sich verletzen […].

Die klägerseits eingenommene stehende Position war nicht geeignet, um bei einer Bremssituation gesichert zu sein.

Vorliegend zeigt das […] Video der Businnenkamera, dass der Kläger sich lediglich mit der linken Hand an dem Handlauf festhielt und seine rechte Hand auf dem mitgeführten Einkaufstrolley ruhte. [..] Die Stabilisierung mit der linken Hand ist zu schwach, um ruckartige Bremsungen auszugleichen. Der Trolley bietet keinen Halt, da er selbst bei der Vollbremsung herumgewirbelt wird, wie auf dem Video zu sehen ist. Der Trolley stellte eher eine Behinderung dar, weil der Kläger ihn auch während des Sturzes nicht losließ und sich daher auch mit der rechten Hand keinen festen Halt suchte.

Dies zeigt sich auch daran, dass keine anderen Passagiere im Rahmen der Vollbremsung stürzten, soweit auf den eingesehenen Videos der Businnenkamera zu sehen ist. Vielmehr hielt sich beispielsweise die ältere Dame, welche einen der Sitzplätze direkt hinter dem Kläger belegt hatte, an der dortigen Stange fest und rutschte (im Gegensatz zu ihrer Tasche) nicht von ihrem Sitz.

So ist dem Kläger – auch aufgrund seines Alters und des Mitführens des Trolleys – vorzuwerfen, dass er sich nicht hingesetzt hat. Wie auf dem Video zu sehen ist, waren ausreichend Sitzplätze vorhanden, auch wenn der Kläger das Gegenteil behauptete. Direkt hinter dem Kläger war beispielsweise ein Sitzplatz frei, welcher überdies eine Haltestange zum Festhalten geboten hätte. […]

Es handelt sich hier auch nicht um eine völlig überraschende – wenn auch heftige – Vollbremsung, da im Stadtverkehr regelmäßig mit heftigen Bremsungen gerechnet werden muss. Hinzu kommt, dass der Bus unstreitig bereits ca. 50 m vorher leicht gebremst hatte, wodurch der Kläger hätte feststellen können, dass seine Position ungenügenden Halt verschaffte.“

Urteil des Amtsgerichts München vom 18.10.2024
Aktenzeichen: 338 C 15281/24
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.