Der Verlauf der Bauausschusssitzung war für die anwesenden etwa 80 Bürger ein fatales Erlebnis. Die beiden großen Fraktionen der CDU und SPD haben mit ihrer Stimmenmehrheit von 9 Stimmen gegen die eine Grünenstimme alle 26 vom Investor vorgelegte Beschlussanträge im 5-Minutentakt durchgedrückt. Die ungewöhnlich heftigen Bürgerproteste im April/Mai letzten Jahres machten damals schon deutlich, dass dieses umstrittene Bauprojekt mit äusserster Sensibilität zu behandeln ist und dass über die Belange der Bürger, über die 43 Einsprüche der Bürger im Sinne des Gemeinwohls entschieden werden muss. Aus den beiden großen Fraktionen kam keine einzige Stimme, die sich für die Bürgerinteressen eingesetzt hat. Stattdessen hat man die Wunschliste des Investors in vollem Umfange erfüllt.
Der politische Flurschaden ist enorm. Es liegt jetzt beim Stadtrat, den Verlauf der Bauausschussitzung zu überdenken und selbst eine Vorgehensweise zu finden, die im Ergebnis zeigt, dass man nicht einfach den Wünschen des Investors entsprochen hat. Es muss bei den einzelnen Tagesordnungspunkten deutlich gemacht werden, wie die Abwägung zwischen Gemeinwohl und dem Einzelinteresse des Investors zustande gekommen ist. Wenn am Schluss, wie im Bauausschuss geschen, ein Fraktionssprecher versucht, die Leute mit der Aussage zu beruhigen, man hätte alles genau geprüft und hinterfragt, darf man sich angesichts des einseitig investorenfreundlichen Beschlussvorgangs nicht wundern, dass das keiner glaubt.
Ein solcher Sitzungsverlauf darf sich nicht mehr wiederholen.
Dieser Sitzungsverlauf veranlasst uns, diesen offenen Brief an den Stadtrat zu senden.
Bauausschusssitzung zum Thema Martinswald – Verlierer sind die Demokratie und die Bürger. Es geht um unsere Heimat.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Ammel,
sehr geehrte Herren Beigeordnete,
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
cc Presseverteiler
in der Bauausschusssitzung vom 20.09.2018 standen 26 verschiedene Beschlussanträge zum Baugebiet Martinswald auf der Tagesordnung. Der Stadtrat hat bereits im Frühjahr 2017 den Planungsbeginn beschlossen. Damals war geplant, den gesamten Martinswald für 38 Luxushäuser abzuholzen. Ein solcher landschaftsverändernder Einschlag eines stadtnahen Waldes kann nur im Einvernehmen mit den politischen Instanzen und der Bevölkerung umgesetzt werden.
Deswegen hat der Investor das Renditeprojekt als Seniorenwohnanlage bemäntelt, damit diese Kröte politisch geschluckt werden kann. Auf diese eigentlich leicht durchschaubare gigantische Nebelkerze ist damals der gesamte Stadtrat reingefallen und hat den Planungsstart des Projekts nicht nur auf einer falschen Rechtsgrundlage einstimmig beschlossen, sondern auch noch bejubelt.
In Obermendig gab es damals sofort erhebliche Bürgerproteste und enorme Widerstände. Nicht nur wegen des massiven Eingriffs in die Landschaft, sondern auch weil das gesamte Projekt die vorhandene Infrastruktur zusätzlich belastet (Verkehr, Kanalisation). Es mag vielleicht sein, dass das Baugebiet den Stadthaushalt nicht belastet. Die Anpassung der bisherigen Infrastruktur an den von dem neuen Baugebiet erzeugen Zusatzbedarf zahlt aber jeder Einwohner durch das Umlageverfahren.
Der Bauausschuss hat also gewusst, dass diese erneuten Beschlüsse in einem hochsensiblen Stimmungsfeld stattfinden werden. Bei der erneuten Beschlussfassung wird von der Bevölkerung, die diese Stadträte gewählt hat, hohe Anforderungen an die Qualität der Beschlüsse gestellt. Die Beschlüsse müssen vom Bürger nachvollziehbar sein und gemeinwohlorientiert getroffen werden.
Stadtpolitisch gesehen muss es jedem Ausschussmitglied klar gewesen sein, dass die Behandlung der Beschlussanträge ein enormes Fingerspitzengefühl erfordert, um erneute Unruhe in der Bevölkerung zu vermeiden und das politische Klima nicht zu belasten oder sogar dauerhaft zu beschädigen.
Den insgesamt 25 Einzelbeschlüssen und dem abschließenden Gesamtbeschluss lag ein modifizierter Planvorschlag zugrunde, bei dem einige (nicht alle) rechtlichen Fehler behoben, die einzuschlagende Waldfläche auf ca. 1 Hektar und die Zahl der geplanten Häuser im Martinswald auf 21 reduziert wurde. Aber nicht freiwillig oder aus Einsicht in die Situation, sondern weil die aktuell bestehende Rechtslage für Bebauungspläne solche Grenzen setzt. Aufgegeben wurde auch das Ziel eine reine Seniorenwohnanlage zu bauen, der Investor plant jetzt ein ganz normales Wohngebiet für gutsituierte, gleichgesinnte Bewohner. Also ein reines Renditeprojekt.
Ca. 80 anwesende und betroffene Bürger im völlig überfüllten Ratssaal mussten eine seltsame Ausschusssitzung erleben. Bar jeglichen Einfühlungsvermögens haben die beiden SPD- und CDU-Fraktionen mit ihrer 9-Stimmen-Übermacht gegen die eine Stimme der Grünen in allen Beschlüssen den Vorschlägen des Investors einheitlich zugestimmt. Keine Auseinandersetzung mit den Details dieses umstrittenen Bauprojekts. Nicht ein einziger Vorschlag des Investors wurde modifiziert oder gar abgelehnt. Die Bürger waren entsetzt und sprachlos über den absurden Verlauf der Abstimmungen, die durchaus einen mechanischen Charakter aufwiesen. Bei den 26 Beschlussanträgen wurde in keinem Falle differenziert abgestimmt. Aus der CDU- und SPD-Fraktion keine Gegenstimme oder Enthaltung!! Ein demokratischer Skandal? Die Frage kann jeder eindeutig beantworten.
Deutlicher konnte ein vom Bürger gewähltes Gremium die Größe des Abstandes zu den Bürgern, zur Basis nicht zeigen, deutlicher konnte man die extrem einseitige Investorenfreundlichkeit nicht darstellen. Keine Spur von politischem Feingefühl dem Bürger gegenüber.
Wenn dann ein Sprecher einer Fraktion sich an die anwesende Öffentlichkeit wendet und erklärt, dass alles genau geprüft und hinterfragt worden wäre, ist das bei diesem Sitzungsablauf nichts anderes als eine schallende Ohrfeige für die Bürger.
Und wenn dann der Sprecher der anderen großen Fraktion das Abstimmverhalten mit der Bemerkung begründet, dass dringender Wohnraumbedarf auch in Mendig bestehe, hat er zwar recht, in dem hier tatsächlich eine große Wohnungsnachfrage besteht. Da hilft aber ein landschaftsfressendes Baugebiet mit Luxuswohnungen für auswärtige gut situierte Bewohner nichts. Gut situierte Menschen kennen keine Wohnungsnot. Wir brauchen Baugebiete für familienfreundlichen, bezahlbaren Wohnraum. Unsere schöne Eifelheimat ist zu schade für Luxuswohnbebauung.
Es ist Zeit nachzudenken. Eine politische Korrektur dieser fatalen Beschlüsse zugunsten des Gemeinwohls ist noch möglich. Weitermachen wie bisher ist keine Option.
Beim Verfassen dieses Textes höre ich die wohl berühmteste in Mendig geborene Politikerin Andrea Nahles im Fernsehen (zur Causa Maaßen) sagen, „Wir haben nicht Vertrauen geschaffen, wir haben Vertrauen verloren. Wir haben uns geirrt. Wir sind auf breites Unverständnis bei der Bevölkerung gestoßen“. Chapeau, Frau Nahles. Da ändert der Bürgerwille selbst in der großen Politik etwas.
Könnte das nicht ein Beispiel für den Stadtrat in Mendig sein? Haben die Stadträte die Größe auf die Bürger zuzugehen? Eine Politik für das „Wir“ zu machen? Die Bürger wenigstens etwas ernst zu nehmen? Die nächste Möglichkeit ist die Stadtratssitzung am 25. September 2018, 19 Uhr im Ratssaal.
Die Bürger schauen auf Sie!
Mit freundlichen Grüßen
PRO-MENDIG e.V.
Karl Gunkel
1. Vorsitzender
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